Dienstag, 3. April 2012

„ Zekarias, wie fühlt sich Durst an?“

Diese Frage, Jahre nach meiner Flucht durch die Sahara an mich gestellt, hat mich zu Tränen gebracht.

Warum?

Meine Mutter hatte mich zuhause immer wieder ermahnt! „Zekarias, trink dein Wasser aus!“ ich habe Ihre Ermahnung oft in den Wind geschlagen. Was ist schon ein halbes Glas Wasser?

Am 10. Tag der Flucht durch die Sahara sollte ich im Delirium immer wieder an die Ermahnungen meine Mutter denken. Und in Trance stand ich unter der Dusche, sah Wasser, Wasser ohne Ende. Sogar den Stadtbrunnen von Asmara sah ich in klaren Bildern. Eine Halluzination.

Die Sahara in einem völlig überfüllten Pickup zu durch queren, das heißt sengende Hitze, Sand, Sand, Hitze, Sand, Tag für Tag. Und dann waren die letzten Wasservorräte erschöpft. Die Schlepper hatten verboten, mehr Wasser mitzunehmen. Wasser nahm den Flüchtlingen Platz weg. Der Durst wurde immer quälender. Anfangs wollte ich meine Hoffnung auf Rettung nicht aufgeben. Irgendwann würde ich Wasser bekommen. Dafür habe ich zu Gott gebetet. Mein Glaube an Gott war stark. Ich bin in einer sehr konservativen katholischen Familie aufgewachsen. Die Bibel war unsere tägliche Lektüre. Und ich hatte die Vorstellung: „ Wenn Gott will, ist alles möglich.“ Jesus hat doch auch in der Wüste Speise und Trank für 5000 Menschen geschaffen.

Ich habe sehr oft gebetet, gebetet, gebetet. Aber meine Hoffnung schwand dahin. Ich war nur noch  verzweifelt; am Ende. Meine letzten Gebete waren: „ Gott, wo bist Du? Gott, bist Du da? Lebst Du noch? Ich sterbe! Hilfe! Hörst Du nicht? Ich bin erst 17 Jahre alt! Mein ganzes Leben habe ich doch noch von mir! Warum siehst Du mir einfach nur zu? Warum willst Du, dass ich sterbe?

Eigentlich hatte ich keine Kraft zu  beten. Aber ich wollte weiter beten, bist der Tod kommt. Ich merkte, dass mein Blut immer dicker wurde und Hände und Beine immer mehr anschwollen. Und den andren Flüchtlingen ging es wie mir. Ihre Verzweiflung war so groß, dass einige von dem Auto- Benzin trinken wollten. Andere tranken den eigenen Urin und wurden angebettelt, davon abzugeben, zu teilen. Bei Durst setzt der Verstand aus. Manchmal sterben Flüchtlinge im Kampf ums Überleben.

„ Lasst mich hier, fahrt weiter, einfach ohne mich, „stammelte ich. Ich wollte beim Sterben allein sein, nicht auf dem Fluchtauto, nicht während der Fahrt. Der Tod sollte leise kommen, der Tod in der Wüste. Ich war ihm ganz nahe.

Aki, mein Fluchtfreund ertrug es nicht länger. Er schrie mich an: „ Du musst es schaffen! Hier, trink das! Es war eine Infusionslösung, die er in mich hineinschüttete. Für den allergrößten Notfall hatte er sie aus dem Sudan mitgenommen. Und ich trank, denn eine Vene für die Infusion war nicht mehr zu finden.

Und plötzlich geschah das Wunder. Hatte Gott ein Einsehen mit mir? Hatte er meine Hilferufe gehört? Nach kurzer Zeit kam mein Verstand zurück und mit ihm der Überlebenswille. Gerettet? Wie lange würde es dauern, bis ich neues Wasser bekam? Bald danach kamen wir an eine Oase.

Wasser ist Leben. Das habe ich – dem Tod sehr nahe- in der Wüste gelernt. Heute gehe ich sehr behutsam mit Wasser um. Und wenn meine Mutter mich heute ermahnen würde: „ Zekarias, trink Dein Wasser aus!“ dann gäbe  es nichts, was ich lieber täte.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen